„Das Fenster zu dir“
verfasst ca. 2005
Ich stehe ganz allein in der Dunkelheit
Nur eine einsame Laterne spendet etwas Helligkeit
Ich schaue von draußen in dein Fenster hinein
Und stell mir vor, wie es wäre, jetzt bei dir zu sein.
Ich stehe ganz still und rege mich nicht
Drinnen im Haus brennt jetzt gelbliches Licht.
Der Regen fällt in langen Bändern zu Boden
Mein Versprechen, nicht zu weinen, war bloß gelogen.
Ich sagte dir damals: „Ich komme schon klar.“
Obwohl auch das nur eine Lüge war.
Seitdem du fort bist, ist alles aus dem Lot
Manchmal ist mir, als wäre ich schon tot.
Nirgendwo auf der Welt fühle ich mich wohler als hier
Es ist kalt auf der Straße, doch ich bin nahe bei dir.
Wenn ich Glück habe, höre ich dich manchmal lachen
Dann möchte ich die ganze Nacht vor deinem Hause wachen.
Plötzlich erscheint am Fenster ein Gesicht
Erst bin ich zu erschrocken und erkenne es nicht.
Du bist es, der stumm zu mir herüberschaut
Das Prasseln des Regens wird unerträglich laut.
Für einen Sekundenbruchteil schauen wir uns an
Du scheinst dich zu fragen, wer das da draußen sein kann.
Schnell wende ich mich ab und sehe nicht,
Dass du mir lautlos zurufst: „Ich liebe dich.“
„Wandel eines Lebens“
verfasst ca. 2005
Ich habe gedacht, ich kehre nie zurück –
Doch jetzt nähere ich mich dem Ort Stück für Stück.
Pechschwarz glitzert der See im trüben Licht.
Man meint, er bewegt sich, doch das tut er nicht.
Die Straße führt mich vorbei an dem steilen Hang,
An dem wir damals manchmal nächtelang
Die Sterne anschauten und die Stille genossen,
Während die Lichter im Ort unbemerkt zerflossen.
Mein Weg kreuzt das Haus mit den schiefen Fenstern,
Von dem wir glaubten, es sei bewohnt von Gespenstern.
Es steht noch so schief wie vor langer Zeit,
So als wär’ es errichtet für die Ewigkeit.
Ich passiere den Sportplatz an der Grenze zum Wald.
Es ist, als wenn in meinen Ohren der Jubel widerhallt,
Der hier an Sonntagen im Sommer stets laut erklang,
Wenn eine Mannschaft ein wichtiges Spiel gewann.
Ich betrachte die Gegend mit feuchten Augen.
Alles liegt friedlich, und ich kann einfach nicht glauben,
Dass sich nichts verändert hat in all den Jahren.
Jede Kleinigkeit ist wie damals zu Kindertagen.
Ich höre deine Stimme noch ganz genauso klar,
Als wenn es gestern, als wenn es gar erst heute war:
„Hier bleiben wir ewig, hier werden wir alt.“
Doch alles kam anders und ich verließ dich bald.
Ich wollte raus, ich wollte die Welt entdecken,
Wollte mich nicht länger in dieser Einöde verstecken.
Ich ging, weil ich vorhatte, alles zu wissen,
Wollte keine Erfahrung, keine Reise missen.
Ich lernte und studierte überall auf der Welt
Und verdiente mit der Zeit sogar richtig viel Geld.
Die Tage waren kurz und ich dachte kaum
An unsere früheren Ziele, unsren früheren Traum.
Irgendwann war mir, als könnt ich nicht mehr wissen,
Als das, was ich wusste, und ich begann, dich zu vermissen.
Um mich herum wurde es zu hektisch und zu groß,
Und ich sehnte mich zurück in deinen wärmenden Schoß.
Weißt du eigentlich, dass du mir etwas gabst, das ich nirgendwo fand?
In keinem Ozean, keiner Wüste und keinem einzigen Land?
Weißt du, dass ich mir wünsche, ich hätte dich niemals verlassen?
Dass ich mir wünsche, ich hätte alles beim Alten belassen?
Dein Haus steht im Abendlicht so verlassen und leer,
Als wendet es sich ab und erkennt mich nicht mehr.
Der Garten ist gepflegt wie eh und je,
Nur an manchen Stellen sprießt hellgrüner Klee.
Der Kirschbaum steht noch an seinem bewährten Ort,
An dem ich dir einst sagte: „Ich gehe jetzt fort.“
So sehr sehne ich mich zurück in diese Sekunde,
Dass mein Körper schmerzt wie eine einzige, riesige Wunde.
Jetzt schlage ich den Weg zum Friedhof ein,
Fühle mich seltsam betäubt, ganz frei von Pein.
Man sagte mir, wo sich dein Grab befindet,
An dem nur noch ein Schriftzug an dich erinnert.
Ich stehe vor dem kalten, grauen Gestein.
Hinter den Bäumen glitzert der letzte Sonnenschein.
Ich denke an alles, was geschehen ist,
Und hoffe insgeheim, dass du irgendwo bei mir bist.
Ich versuche mich zu entsinnen an jedes Detail in deinem Gesicht,
Doch die Erinnerung ist trüb und es gelingt mir nicht.
Die glücklichen Zeiten sind zu lange her.
Ich frage mich, ob du jetzt noch bei mir sein könntest,
Wenn ich niemals weggegangen wär’.
Unlogik des Dich-Liebens
Verfasst ca. 2005
Fallen
Ohne abzustürzen
Da sein
Ohne zu existieren
Sehen
Ohne gesehen zu werden
Aufgeben
Ohne zu kapitulieren
Ewig
Aber nicht für immer
Jetzt
Aber nicht sofort
Möcht’ ich dich bei mir haben
Hier
Aber an einem anderen Ort
Fühlen
Ohne meine Sinne
Wissen
Ohne zu lernen
Verstehen
Ohne zu begreifen
Verschwinden
Ohne mich zu entfernen
Im Traum
Aber nur wenn ich wach bin
Lautlos
Aber mit sanfter Melodie
Möcht’ ich dich sagen hören:
„Glaub mir
Ich verlasse dich nie“
Alle Texte: Copyright Meike Mittmeyer-Riehl, 2005